Liebe Waschfrau,
ja, ich weiß, unsere Treffen sind schon lange vorbei. Ich habe mein Seminar erfolgreich abgeschlossen, das haben wir beide so gesehen, uns gegenseitig verbal auf die Schulter geklopft, und ich bin pfeifend aus Ihren Räumlichkeiten gehüpft, Ihr Lächeln als mein virtuelles Diplom in der Tasche. Es gibt auch keine akute Gefährdung meiner erwobenen Erkenntnisse – mir geht es gut mit der erfolgten Wäschebergentsorgung. Alles weitere, was erforderlich ist, läuft. Manchmal stockend, aber ich kriege es hin, zu handeln und mich zu wehren, wenn jemand gar zu frech wird.
Manchmal aber wünsche ich mir Ihr kompetentes Ohr zurück. Ein paar Anstöße, wenn ich mal wieder nicht so recht weiß, ob ich das alles richtig handhabe. Natürlich kann ich mittlerweile ein Wäscheschildchen lesen und für mich interpretieren. Ich habe alles, was ich brauche, zur Hand: Waschmittel für Helles und Dunkles, Weichspüler, sparsam zu dosieren, ich habe sogar Fleckensalz, Waschmaschinenenkalker und einen prima Wäscheständer. Es läuft, und zwar recht rund, so pro Waschgang, darf ich behaupten.
Warum also? Was ist mein Problem? Ich scheine nicht loslassen zu können. Das würde man, wollte man es objektiv beurteilen, so beschreiben. Ich hänge offensichtlich noch am Ex-Wäscheberg, den ich eigenhändig entsorgt habe, und kann nicht loslassen. Warum sonst warte ich auf E-Mails, Anrufe und gar Spontanbesuche, die ich schon am Klingeln erkenne? Der Plan war ein ganz anderer. ich wollte nichts mehr hören und sehen. Nichts von ihm, auch nicht von all dem, was noch dran hängt. Aber das ist mir nicht gegönnt. Mein Ex-Wäscheberg sucht meine Nähe, wohlwissend, dass es natürlich aus und vorbei mit uns ist, allerdings auch ohne Ambitionen, an diesem Zustand etwas zu ändern. Nun bin ich aber noch immer seine Vertraute. Wir besprechen Dinge, da könnte man glatt glauben, wir seien die besten Freunde. Wir tauschen Waschtipps aus, er erzählt mir von seinem neuen Kleiderschrank, den er bald bezieht, und tatsächlich sprechen wir über Dates und Flirt(miss)erfolge. Grotesk, echt.
Soll ich mal in mich hineinhorchen, liebe Waschfrau? Was sagt mein Innerstes? Das sagt nichts, es schreit: Lass mich doch endlich in Ruhe! Hass mich doch, bittebitte, wenigstens ein kleines bisschen! Dafür, dass ich dich ausgesetzt habe! Und stell mich nicht weiterhin auf einen Sockel und versuche nicht gleichzeitig mich kleinzumachen mit deinen wohlgemeinten Ratschlägen! Aua! Ja, so in etwa klingt das in meinem Innersten. Wie kann ich mit einer Sache abschließen, die noch ständig um mich herumschwirrt? Ich hatte so schön ausgemistet. Aufgeräumt. Renoviert gar, alles gut, alles neu. Und da hängt er an mir, dieser impertinente Wäscheberg. Wie diese langen weißen Katzenhaare, kennen Sie das? Keine Kleiderbürste, kein Wäschetrockner dieser Welt kriegt die vollends weg. Widerhakige, kleine Biester.
Ich habe mein Umfeld damit schon genervt. Die sagen mir alle, ich soll das endlich sein lassen, mich nur noch um mich kümmern und Abstand halten und den auch einfordern. Und doch nehme ich immer wieder den Hörer ab, lese die Nachrichten, bleibe freundlich. Ich versuchte sogar mal die andere Taktik, verletzend sein, vor den Kopf stoßen. Das klappte, aber nicht mit dem gewünschten Ergebnis. Diese Katzenhaare, zu hartnäckig. Was nun, wenn ich jemand anderes, neues in mein Leben lasse, der gegen Katzenhaare allergisch ist? Eine Zeit lang mag man das noch tolerieren, aber irgendwann … „Entweder die Haare oder ich“, mir klingt das quasi schon im Ohr, und diese Entscheidung … ist eigentlich eine ganz leichte. Eigentlich. Vielleicht sollte ich meinem Gewissen mal in den Allerwertesten treten, dass es mir – zu Unrecht – vorgaukelt, ich hätte immer noch was gutzumachen. Man stelle sich mal vor, der Ex-Wäscheberg fände in absehbarer Zeit eine neue Bleibe, einen neuen Schrank und eine neue Waschmaschine, die sich mit gewünschter Hingabe um ihn kümmert. Bliebe ich da nicht endlich links liegen? Die Ex- und die Neuwaschmaschinen sind nämlich zumeist völlig inkompatibel und kaum im selben Raum zu halten, weiß Fräulein Erfahrung, zum heutigen Zeitpunkt um einige Falten und graue Haare reicher. Fragte dann noch jemand nach mir?
Ja, liebe Waschfrau, so geht es mir zur Zeit. Im Grunde gut, die üblichen Zweifel, nichts, was mich allerdings verzweifeln ließe. Eine Antwort werde ich nicht bekommen, denke ich mal. Eigentlich schreibe ich Ihnen auch nur, um mich abzulenken. Von anderen Briefen, die geschrieben gehören, zu denen ich mich aber auch nicht überwinden kann. Verdrängen und vermeiden, aber das gehört auch der Vergangenheit an. Wir beide wissen, nicht wahr, wie befreiend ein Brief sein kann. Und deshalb gehe ich das jetzt an. Jawoll. Und wenn ich damit fertig bin, dann folgen vielleicht noch weitere Briefe. Um Dinge endlich abzuschließen, Dinge endlich anzusprechen. Sich von den Worten befreien, die einem schon die ganzen Zeit Herz und Hirn blockieren. Rausschreiben. Freischreiben. Deshalb.
Liebe Waschfrau: danke. Für alles. Vielleicht sogar fürs Lesen, man weiß ja nie, ob und wo man sich ein zweites Mal im Leben begegnet.